Dissertationspreis

Preisträgerin 2022

Eva-Maria Cersovsky

Geschlechterverhältnisse in der Krankenfürsorge. Straßburg im 15. und 16. Jahrhundert

Eva-Maria Cersovsky hat mit ihrer hervorragenden Dissertationsschrift den bisherigen, wenig auf die Geschlechterperspektive konzentrierten und größtenteils auf Einzelphänomene gerichteten Untersuchungen zur Armen- und Krankenfürsorge zum einen eine erste monographische, von der umfassenden Analyse eines immensen Quellenkorpus an ungedruckten Archivalien geleitete Untersuchung gegenübergestellt. Zum zweiten geht sie keineswegs von statischen oder stereotypen Vorstellungen weiblicher Fürsorge aus. Unter explizit geschlechterspezifischer Perspektive beleuchtet sie am Fallbeispiel der vier Fürsorgeinstitutionen der Stadt Straßburg zwischen 1400 und 1550 die Handlungsmöglichkeiten, die sich hier für Frauen und Männer ergaben. Damit leistet ihre Untersuchung nicht nur im engeren Sinne einen Beitrag zur medizinisch-körpergeschichtlichen Geschlechtergeschichte als vielmehr – schon mit der Wahl Straßburgs während der akuten Reformationszeit – auch einen in derartiger Nahaufnahme bislang nicht geleisteten Beitrag zum Einfluss der Reformation auf den enormen Wandel der Geschlechterordnung gerade ab den 1520er Jahren.

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Die heute mit dem Preis des AKHFG bedachte Untersuchung kennzeichnen eine hohe methodische wie quellenkritische Expertise. Sie ist klar an den Methoden und Perspektiven der Geschlechterforschung orientiert und stellt explizit geschlechterspezifische Fragestellungen in den Mittelpunkt der Analyse. Dabei fragt sie nicht nur nach den Geschlechterverhältnissen und den geschlechtsspezifischen Handlungsmöglichkeiten in der Fürsorgearbeit, sondern auch danach, wie sich – die sich in der betrachteten Zeit stark ändernden – Geschlechterkonzepte auf die Organisation und Aufgabenverteilung in der Krankenpflege auswirkten.

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Wichtig ist dem Arbeitskreis Historische Frauen- und Geschlechterforschung aber auch die über die Epoche des Mittelalters hinausweisende Aussage dieser richtungsweisenden Untersuchung: Sie warnt vor einer vorschnellen Zuordnung von Geschlechterrollen gerade für die Zeit des späten Mittelalters, der man häufig nicht nur in älteren fachwissenschaftlichen Abhandlungen, sondern auch in den mittelalterlichen, zumeist von Männern verfassten Quellen begegnet. Eva-Maria Cersovsky ist mit ihrer Promotionsarbeit eine exzellente Studie zur Relevanz und Dynamik der Kategorie Geschlecht im Bereich der Fürsorgearbeit und Krankenpflege gelungen.

(aus der Begründung der Jury des AKHFG)

Die Arbeit ist mittlerweile im Jan Thorbeke Verlag erschienen.